Montag, 5. September 2011

Irgendwann in der Nacht drehte die Costa Atlantica ihren Kurs auf Südwest. Wir kamen in rauere See, sahen viele Bohrinseln und ... Wolken. Das Wetter sollte schlechter werden. Wie schlecht würde uns Kapitan Giuseppe Russo später mitteilen. Heute erholten wir uns auf See, der gestrige Tag in Kopenhagen war anstrengend genug. Wir freuten uns, dass wir ausschlafen konnten, ohne den Wecker im Nacken zu spüren. Das Frühstück im Tiziano verlief denn auch stressfrei und ohne Eile. Der Service, das deutete sich schon am Vortag an, war zuvorkommend, schnell und immer freundlich.

An Deck war es frisch, ca. 15 Grad, im Vergleich zum fast sommerlichen Kopenhagen, doch etwas kühl. Aber es blieb ohnehin keine Zeit zum faulenzen. Um 10.30 Uhr stand im Theater Caruso der Vortrag der Lektorin Sonja Weidhase mit dem Thema "London - Vom Römerkastell zur Weltmacht" auf dem Programm. Ganz interessant, aber für meine Begriffe doch etwas zu geschichtslastig und ernst. Ein bißchen Spaß könnte auch bei Vorträgen dieser Art nicht schaden.

Um 12.00 Uhr wäre auf Deck 9 eigentlich Frühschoppen gewesen. Aber den ließen wir sausen, denn wir hatten Hunger (schon wieder). Und gingen voller Vorfreude ins Tiziano. Die Auswahl auf der Mittagskarte war allerdings einigermaßen enttäuschend. Das Essen ebenfalls und wir beschlossen daher, das Mittagessen künftig im Botticelli auf Deck 9 einzunehmen. Hier waren also offensichtlich doch eindeutige Sparmaßnahmen zu erkennen. Gut, dass wir fast während der ganzen Kreuzfahrt Ganztagesausflüge absolvierten, so dass sich dieser "kleine" Nachteil kaum bemerkbar machte.

Den Nachmittag verbrachten wir damit, das Schiff zu erkunden oder auch einmal ein Nickerchen zu machen. Ich nutzte meine Freizeit mit einem Besuch des Fitness-Centers Olimpia auf Deck 10. Es ist schon ein großartiges Gefühl, auf dem Crosstrainer zu schwitzen und die tosende Nordsee mit geschätzten fünf bis sechs Meter hohen Wellen vor sich zu haben. Die Geräte im Fitness-Center sind von sehr guter Qualität und genügen sicher auch höheren Ansprüchen. Manko: Es fehlen Reinigungflaschen und Tücher, um den Schweiß der Vorbenutzer abzuwischen. Hier sollte Costa nachbessern!

Dann hieß es aber, sich fein zu machen. Die Kleidungsempfehlung im "Today" war eindeutig: Gala/Elegant. Für die Damen bedeutet das Abendkleid, Kostüm o.ä., für die Herren der Schöpfung Sakko, Smoking oder Anzug. Der Willkommens-Gala-Cocktail sollte um 18.00 Uhr beginnen und die lange Schlange vor dem Eingang würde heute unvermeidlich sein. Ein Handschlag und ein Foto mit Kapitän Russo gehörte zum Pflichtprogramm.

Nun mag der kritische Betrachter vielleicht einwenden: "Weshalb soll ich mich mit dem Kapitän eines Kreuzfahrtschiffes ablichten lassen? Das ist doch ein wildfremder Mensch!" Dem antworte ich: "Stimmt. Eine Logik für dieses Treiben vermag ich ebenfalls nicht zu erkennen. Es macht einfach Spaß!" Aber auch hier gilt, keiner wird gezwungen, alles ist freiwillig. Und daher haben auch wir uns brav eingereiht und wurden am Eingang des Theaters mit einem Gläschen Prosecco begrüßt. Die Kreuzfahrtdirektorin war da und natürlich der Kapitän, Giuseppe Russo, dessen unaufgeregte, freundliche, ja beinahe herzliche Persönlichkeit uns schon während unserer ersten Kreuzfahrt mit der Costa Mediterranea im Jahr 2007 so gut gefallen hat.

Weil wir rechtzeitig vor Ort waren, fanden wir auch noch ein Plätzchen in den vorderen Reihen. Hier hat man den Vorteil, dass die Getränke und die Häppchen auf kleinen Tischchen serviert werden können und man die gefährlichen Teile nicht in der Hand halten muss. Die Zeit bis zum Eintreffen des Kapitäns und seiner Offiziere wird traditionsgemäß mit Musik und Tanz überbrückt. Auch und besonders in diesem Jahr waren die Künstler an Bord ganz nach unserem Geschmack.

Mit nur unwesentlicher Verspätung begann dann endlich der offizielle Teil des "Willkommens-Cocktails". Die Kreuzfahrtdirektorin Petra, eine charmante und mehrsprachige Österreicherin, übernahm gekonnt und lässig die Begrüßung. Dann betrat "Il Commandante" die Bühne und begrüßte in sechs Sprachen (Italienisch, Deutsch, Englisch, Spanisch, Französisch und Russisch) die Passagiere im vollbesetzten Theater. Bei der Gelegenheit eröffnete er uns dann auch gleich, dass die folgenden Tage bis Le Havre unruhig werden würden. Wie unruhig würden wir schon bald erleben.

Nach dem Begrüßungs-Empfang führte unser Weg schnurstracks ins Tiziano. Empfänge machen bekanntlich hungrig. Das Willkommens-Gala-Abendessen bot u.a. ein zartes Tenderloin vom Rind, als Vorspeise konnte man u.a. wählen zwischen Linguine-Pasta oder Cous-Cous Salat oder Knurrhahn-Carpaccio usw. usw. Auswahl, Zubereitung, Präsentation und Geschmack waren, wie an anderer Stelle schon beschrieben gut, manchmal sogar sehr gut, wenngleich etwas schwächer als in den Vorjahren. Aber eine sehr schöne Tafel, nette Mitfahrer und ein ausgezeichneter Service ließen die eine oder andere Schwäche schnell vergessen.

Und dann ging es, wie fast jeden Abend, ins Theater. 1.000 Zuschauer, volles Haus, in gespannter Erwartung, wollten das "Duo Donnert" sehen. Ein Artistenehepaar, das auch schon im Guinness-Buch der Rekorde steht. Sie glänzten mit Hochgeschwindikeitsjonglage, einer halsbrecherischen Rollschuhnummer und einer Seil-Artistik, die  Frau Donnert mit Charme, Eleganz und Grazie vorführte.

Der erste Seetag endete noch ruhig, um 3.00 Uhr wurde die Uhr eine Stunde zurück gestellt. Zu diesem Zeitpunkt passierten wir auch die nördlichste Stelle der dänischen Halbinsel, die Navigation in der Nordsee begann und mit ihr das leichte Schaukeln. Der Wellengang nahm zu, aber wir schliefen trotzdem gut, wenngleich die Skepsis, London vermutlich im Regen zu erleben, zunahm.

Dienstag, 6. September 2011

Der nächste Morgen bestätigte unsere Befürchtungen. Die Einfahrt in den Hafen von Dover war sturmbedingt nicht möglich. Der Kapitän entschied sich daher, die Costa Atlantica stattdessen nach Southampton zu steuern. Auch von dort wäre eine Busfahrt nach London problemlos zu bewerkstelligen. Die Ankunft war für 12.30 Uhr vorgesehen. Bei einer geplanten Abfahrt um 23.00 Uhr blieben also etwa zehn Stunden für einen ausgiebigen London-Ausflug. Der Blick auf die tosende Nordsee beeinträchtigte die Vorfreude aber doch erheblich. Das Boot, das den Lotsen an Bord bringen sollte, war ein Spielball der Wellen. Irgendwie schaffte es der Steuermann aber doch. Die Einfahrt nach Southampton verlief auch nicht gerade ruhig und spätestens jetzt hatten wir die Hoffnung auf blauen Himmel und Sonne aufgegeben. England erwartete uns mit heftigem Regen und Starkwind.

Am Bus Nr. 40 wurden wir von Terry begrüßt, der einen lässigen und freundlichen Eindruck auf uns machte. Etwas zu lässig, wie sich noch herausstellen sollte. Die Fahrt nach London dauerte endlos lange, etwa zweieinhalb Stunden. Der Verkehr in dieser 8-Millionen-Metropole war wirklich mörderisch. Als wir uns dem Zentrum näherten, wussten wir weder von England noch von London etwas, unser guter Terry hatte seinen Job beendet noch bevor er ihn begonnen hatte. Arbeitsverweigerung nennt man so etwas wohl. Einzig erinnerliche Information besagte, dass wir die Themse überqueren würden. Äußerst hilfreich! Begleitet wurde Terry von zwei ebenfalls nicht sehr mitteilsamen Costa-Mitarbeitern, einer Russin, die nicht deutsch sprach und einem gewissen Don-John, der weder russisch geschweige denn deutsch sprach und obendrein auch nicht telefonieren konnte. Dazu später mehr.

Auch der Blick aus unserem einigermaßen komfortablen Reisebus war nicht gerade ermutigend:

Immerhin bekamen wir einen dieser berühmten roten Doppeldeckerbusse zu Gesicht. Einen? Tausende, um der Wahrheit die Ehre zu geben. Kein Wunder, dass angesichts derart vollgestopfter Straßen ein Vorwärtskommen nur schwer möglich war. Erste Anlaufstation war dann das bescheidene Häuschen der Queen, der Buckingham-Palast.

Auch hier das übliche Bild: Regen. Immerhin gönnte sich das prasselnde Nass eine kleine Beinahe-Auszeit, die Tropfen hatten ihr Tempo verlangsamt. Wenigstens konnten wir "auf die Schnelle" ein paar Bilder knipsen.

Ganze 20 Minuten hatte uns Arbeitsverweigerer Terry zugebilligt. Alle waren wieder pünktlich am Bus, bis auf einen: Don-John. Weitere 20 Minuten später kam er mit Unschuldsmiene und einem angedeuteten Lächeln. Allzu lange mussten wir uns über diesen überflüssigen Reisebegleiter nicht ärgern, denn das nächste Ziel ließ nicht lange auf sich warten. Im Stadtteil Westminster sind unter normalen (Wetter)-Umständen die bekanntesten Sehenswürdigkeiten Londos zu bewundern: Parlament, Big Ben, Westminster Abbey. Hier gaben sich Kate Middleton und Prinz William das Ja-Wort und natürlich wollten wir auch eine Portion Kitsch von der Hochzeit des Jahres kaufen. Unmittelbar neben der Kathedrale haben die geschäftstüchtigen Londoner einen hervorragend bestückten Souvenirladen hingestellt. Hier findet sich alles, was unbedingt in Schwiegermutters Schublade versteckt werden sollte: geschmacksneutrale Tassen, ebensolche Postkarten, Lesezeichen, Schreibblocks, Kugelschreiber usw. usw. 

Der Wind hatte zwischenzeitlich noch um einige Knoten zugelegt, so dass ein Schirm nur mit Mühe zu bändigen war. Die Bilder von Big Ben und Westminster Abbey sind daher auch nur bescheidene Belege für unseren Aufenthalt in der englischen Hauptstadt:

Auch hier war der Aufenthalt nur kurz, etwa 40 Minuten. Um die Ecke von Westminster Abbey sollten wir auf unseren Bus warten. Es dauerte wiederum weitere 20 Minuten, bis er endlich kam. Hier hielt sich das Murren in Grenzen, der Verkehr in London ist wirklich extrem und die Haltemöglichkeiten sind begrenzt.

Unsere Hatz durch London ging weiter, Reiseführer Terry wirkte aber nach wie vor ausgeruht und relaxed, kein Wunder bei derartiger Stimmschonung. Im Stadtteil Covent Garden sollten wir eine von Terry verordnete Pause machen. Keiner im Bus verspürte aber so rechte Lust und vor allem hatten wir Bedenken, die Tower Bridge nur noch bei Dunkelheit zu sehen zu bekommen. Entsprechende Interventionen bei  unserem Arbeitsverweigerer blieben erfolglos, Covent Garden wurde angesteuert. Die große Mehrzahl der Reisenden war planlos, denn wie immer gab es auch diesmal keine näheren Informationen. So gingen wir denn unter Zuhilfenahme des Marco Polo-Reiseführers unmotiviert und etwas lustlos durch die Markthallen von Covent Garden. Das Schmuddelwetter lähmte unseren Entdeckervirus immerhin nicht so stark, dass wir keinen Blick mehr für die wirklich wichtigen Dinge in London gehabt hätten. Die unverzichtbaren "Highlights" können Sie im Folgenden bewundern:

Wir waren alle froh, diesen ungastlichen Ort schnell verlassen zu können. Wirklich Spaß gemacht hat der Bummel durch die merkwürdige Tristesse aus Vietnamesen-Läden und Souvenir-Geschäften nicht. Möglicherweise lag es tatsächlich am grandiosen Regenwetter, aber wenn es in dieser Ecke von London doch so etwas wie Charme oder ähnlich Entdeckenswertes gab, hat es sich außergewöhnlich gut versteckt.

Versteckt ist das Stichwort für unser nächstes Erlebnis mit Terry und seinem unvergleichlichen Organisationstalent. Die Buspassagiere standen wie immer vorbildlich und überpünktlich am Treffpunkt. Wer nicht da war, man ahnt es, war der Bus. Wir warteten fünf, dann zehn, schließlich fünfzehn Minuten. Terry wieselte aufgeregt auf und ab, endlich, nach mehr als zwanzig Minuten kommt ihm der Geistesblitz: ein Anruf mit dem Handy! Hurra! Des Rätsels Lösung? Der Bus stand keine 200 Meter von unserem Warteplatz entfernt, lediglich um die Ecke der nächsten Kreuzung. Terry hatte schlichtweg vergessen, dass er den Busfahrer dort hin bestellt hatte. Von den großartigen Costa-Mitarbeitern ist allerdings auch keiner auf die naheliegende Idee gekommen, vielleicht mal beim Reiseleiter nachzufragen, wo die Gruppe denn bleibt. Fehlendes Engagement der Verantwortlichen hat uns letzten Endes weit mehr als eine Stunde Zeit gekostet, die wir selbst bei englischem Dauerregen gerne genutzt hätten.

So kamen wir an der Tower Bridge erst an, als es bereits dämmerte. Immerhin wurden wir für unsere Ausdauer belohnt, es hatte aufgehört zu regnen. Und so konnten wir die wie an einer Perlenkette aufgereihten Sehenswürdigkeiten doch noch genießen:

Der Wettlauf gegen die Dämmerung endete unentschieden. Ein versöhnlicher Abschluss eines "unvergesslichen" Ausflugstages. Gegen 19.30 Uhr saßen alle Gäste wieder auf ihren Plätzen im Bus, der auffallend kalt war. Das lag an der Klimaanlage, die unaufhörlich blies. Wir hatten Glück, weil wir im "Erdgeschoss" einen Sitzplatz ergattert hatten, aber die große Masse, die im ersten Stock saß, fror sich buchstäblich einen ab. Manche kamen auch immer wieder von oben nach vorne zu Terry, um sich über die kaputte Lautsprecheranlage zu beschweren. Einige klärten wir dann auf, dass es diesbezüglich keinen Grund zur Beschwerde gibt. Der Gute sagte einfach nichts. Zu der defekten Klimaanlage gesellte sich dann auch noch eine Überschwemmung in der Bordtoilette mit den üblichen Begleiterscheinungen. Darauf kam es aber schon gar nicht mehr an. Irgendwie passte das alles. Terry verabschiedete sich noch in London von uns. Eine der wenigen Gelegenheiten, wo er tatsächlich zu uns sprach. Kurz vor 23.00 Uhr kamen wir dann nach einem langen Tag in Southampton an, wo wir froh waren, wieder an Bord unseres schönen Schiffes gehen zu können.

Im Briefkasten unserer Kabine fanden wir eine Einladung für eine Schiffsführung, die am 08. September, also am Seetag, stattfinden sollte. Der Preis für Costa-Club-Mitglieder: 55,00 Euro. Da mussten wir nicht lange überlegen und gingen daher umgehend zum Ausflugsbüro. Für 15 Personen war die Führung ausgelegt, wir wären Nr. 15 und 16 gewesen. Nach einer kurzen Rückfrage in den Katakomben bekamen wir dann aber das "Okay" für die Teilnahme. 

Das Abendessen im Tiziano war längst vorüber und wir waren auch hundemüde. Ein kleiner Imbiss im Botticelli bildete den Abschluss eines Tages, den wir uns so ganz anders vorgestellt hatten. Für das Wetter kann man keinen verantwortlich machen, das muss man nehmen, wie es kommt, die Leistung des Reiseführers war allerdings eine Zumutung. Das hatten wir in der Form noch nie erlebt und es sollte auch die einzige, unrühmliche Ausnahme bleiben.

Die Wettervorhersage für Le Havre war etwas vielversprechender, immerhin sollte es nicht mehr regnen. Mit dieser Hoffnung schliefen wir ein und freuten uns auf den Besuch der französischen Hauptstadt: Paris.

Wenn Sie im Reisebericht fortfahren möchten, klicken Sie auf den Link "Le Havre", auch ein Fotoalbum mit weiteren 33 Bildern zum London-Ausflug steht noch zur Verfügung.

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